Artwork

Germania (Girl) vs. The Other

Das Bild zeigt sieben Frauen in Rüstung am Rande einer Klippe. Über ihnen schwebt ein strahlendes Kreuz. Neben ihnen steht ein Mann mit Flügeln und ebenfalls in Rüstung. In der linken Hand hält er ein flammendes Schwert, mit der rechten zeigt er nach links in den Hintergrund. Er deutet über Felder, Wälder und Städte, aus denen verschiedene Kirchen herausragen, über einen Fluss hinweg, auf das andere Ende des Bildes. Dort brennt es; große, dunkle Rauchschwaden steigen empor. Inmitten dieser Rauchschwaden fliegt ein Drache, auf dem ein von hellen Flammen umgebender Buddha sitzt. Ihr Ziel scheint die Gruppe auf der Klippe zu sein.

Völker Europas, wahrt eure heiligsten Güter heißt der Druck, der 1895 von Hermann Knackfuss nach einem Entwurf von Kaiser Wilhelm II. angefertigt wurde. Sechs der Kriegerinnen lassen sich als nationale Personifikationen identifizieren; ganz vorne stehen Germania, Mütterchen Russland und Marianne. Angeführt werden sie von Erzengel Michael, dem Schutzpatronen Deutschlands. Er warnt sie vor der sogenannten „Gelben Gefahr“ aus dem „Fernen Osten“: Japan und China, dargestellt als Buddha und Drache.

<p>Copyright: Miki Feller, Grafik: Bruno Jacoby</p>

Copyright: Miki Feller, Grafik: Bruno Jacoby

Das Werk transportiert ein koloniales und nationalistisches Narrativ, das Bestandteil deutscher Grundwerte zu sein scheint: „Gute, ehrenhafte Menschen“ kämpfen aus „Selbstschutz“ gegen das „böse Andere“. Die Videoarbeit Germania Girl – Konzert im Schloss! verbindet die Idee von Germania als jungfräuliche Kriegerin und ihren Kampf gegen das Andere mit einem Anime Genre: dem Magical Girl.

<p>Copyright: Miki Feller</p>

Copyright: Miki Feller

Germania Girl – Konzert im Schloss! ist als Episode einer fiktiven Magical-Girl-Serie à la Sailor Moon angelegt. Die Geschichte dreht sich um ein „gewöhnliches“ Schulmädchen, das in Karlsruhe lebt. Als Germania Girl beschützt sie ihre Heimatstadt vor einer mysteriösen, außerirdischen Macht namens The Other.1 In Konzert im Schloss! trifft Germania Girl auf eine Musikerin, die im Auftrag von The Other im Schloss Karlsruhe ein Konzert gibt.2 Diese versucht dem Publikum durch ihre Musik seine Kraft zu rauben, wird jedoch von Germania Girl besiegt.

Der Aufbau der Episode macht deutlich: Man soll mit Germania Girl sympathisieren. Die Arbeit versucht aufzuzeigen, dass die Zuschauer*innen zu Kompliz*innen von Germania (Girl) gemacht werden bzw. bereits in Kompliz*innenschaft zu ihr stehen. Das wirft Fragen auf: Was für Geschichten werden erzählt? Aus welcher Perspektive? Mit wem soll man sich identifizieren und mit wem nicht? Und warum eigentlich?

<p>Copyright: Miki Feller, Bildbearbeitung: Yun-Wen Liu</p>

Copyright: Miki Feller, Bildbearbeitung: Yun-Wen Liu

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Germania Girl – Konzert im Schloss! wurde im Rahmen der Ausstellung Versuche zu überschreiben gezeigt. Die Ausstellung fand vom 22. bis 24. September 2023 im TV-Hifi in Karlsruhe statt.

Mit Stimmen von Nele Faust, Alejandra Janus, Melanie Berner, Rita Andrulyte, Laura Haak, Nini Lü, Jörg Stegmann und Josefine Scheu

Buch & Regie: Miki Feller | Dramaturgische Beratung: Max Mandery | Schnitt: Miki Feller, Johannes Thimm | Character Design: Miki Feller, Jie Zhou | Fotos: Yun-Wen Liu | Color Grading: Meret Bhend, Yun-Wen Liu, Paulina Mimberg | Dialog Editing: Luise Peschko | Sounddesign: Ricarda Fischer | Musik: Vanessa Bosch, Ricarda Fischer | Grafik: Bruno Jacoby

Copyright: Miki Feller, Bildbearbeitung: Yun-Wen Liu


Footnotes

  1. The Other bedeutet übersetzt „Das Andere“ und ist abgeleitet von dem englischen Begriff othering. Othering bezeichnet die Distanzierung einer Gruppe zu einer anderen Gruppe, z. B. von weißen Menschen zu nicht-weißen Menschen. Nicht-weiße Menschen werden dabei als fremd bzw. als anders dargestellt, um sie abzuwerten. Die Abwertung soll legitimieren, dass weiße Menschen ihnen Land, Besitz oder Rechte wegnehmen oder vorenthalten.

  2. Die Rolle der Musikerin weist auf die Geschichte der sogenannten „Tulpenmädchen“ und deren weitverbreitete Dämonisierung hin. Als „Tulpenmädchen“ werden die Hofsängerinnen bezeichnet, die für den Markgraf Karl Wilhelm gearbeitet und mit ihm im Schloss Karlsruhe gelebt haben.

About the author

Miki Feller

Published on 2023-12-22 12:30